1. Ziele und Zielsysteme im Unternehmen
Ein Ziel ist ein definierter Soll-Zustand, der in der Zukunft liegt, real sein soll, messbar ist, dessen Erreichen wünschenswert ist und der nur durch zielorientierte Aktivitäten erreicht werden kann. Es ist notwendig, Ziele zu quantifizieren, denn nur so können der Grad der Zielerreichung überprüft, Abweichungen erkannt und Prozesse zu deren Behebung initiiert werden.
Ziele haben eine Motivationsfunktion, denn nur durch identifizierte Ziele kann es Erfolge und durch diese Anerkennung geben. Neben der Motivationsfunktion haben Ziele aber auch noch eine Orientierungsfunktion. Das Erreichen eines unbekannten Zieles ist fraglich, da Abweichungen nicht korrigiert werden können, wenn nicht bekannt ist, welche Größe eine Abweichung darstellt. Auch ist die Koordination der einzelnen Aktivitäten ohne explizites Ziel fast unmöglich.
Ziele können neben den klassischen Zielen wie Produktivität, Qualität und Service viele Aspekte der Unternehmensführung betreffen, z.B. Vermeidung zusätzlicher Werksflächen trotz steigenden Umsatzes, höhere Flexibilität, um den wechselnden Anforderungen des Marktes zu entsprechen etc.
Alle Ziele im Unternehmen werden direkt oder indirekt aus der Unternehmensvision abgeleitet.
In der obersten Ebene dieses Zielsystems werden vom Management Unternehmensziele formuliert, die dann in Bereichs- oder Abteilungsziele detailliert werden, um letztlich zu individuellen Zielvorgaben für einzelne Teams oder Mitarbeiter zu gelangen.
Somit entsteht ein hierarchisches System zusammenhängender Ziele, das entsprechen der Aufbauorganisation im Unternehmen strukturiert ist. Die Durchgängigkeit des Zielsystems entspricht der Durchgängigkeit der Unternehmensprozesse. Diese Forderung gilt auch für die Aktualisierungen und Anpassungen. Somit erlangt die ständige Überwachung und Anpassung des Zielsystems die gleiche Bedeutung wie kontinuierliche Optimierung der Unternehmensprozesse.
2. Zielfindung
Ausgehend von der Grundlage unternehmensspezifischer Visionen und Leitbilder, sowie den daraus abgeleiteten Strategien zu ihrer Operationalisierung werden Zielsetzungen für die Neuorientierung der Organisation und Prozesse im Unternehmen wesentlich durch sozio-psychologische und wirtschaftlich-finanzielle Aspekte geprägt. Die Formulierung dieser Unternehmensziele wird im Rahmen von Workshops gemeinsam erarbeitet, bewertet und verabschiedet. Dazu sollten die Geschäftsführung sowie die Verantwortlichen aus den betroffenen Fachbereichen einbezogen werden.
Die Moderation des Workshops sowie die Ausarbeitung der anzuwendenden Methoden zur Zielfindung sollten von einem externen Moderator übernommen werden. Die Hinzunahme externen Moderations-Know-hows erfordert auf Seiten des Moderators zwei grundsätzliche Fähigkeiten: Erstens muss die methodische Basis zur objektivierenden Darstellung von Zielkonflikten gegeben sein, zweitens muss der Moderator in der Lage sein, mögliche Konflikte in der Formulierungsphase der Unternehmensziele zu antizipieren.
Was die praktische Durchführung von Zielformulierungen auf Unternehmensebene betrifft, so haben sich die Methoden des „Logical Framework“ und die gerichtete Diskussion anhand der Metaplan-Workshop-Methode als ausreichend problemadäquat erwiesen.
Auf Seiten des Moderators ist die Vorbereitung der jeweiligen Managementmeetings unter Zuhilfenahme existierender Dokumente zu strategischen Stoßrichtungen hilfreich.
Wichtig ist, dass die Ziele realistische und keine Pseudoziele sind, also keine Ziele, die eigentlich nur Werkzeuge zur eigenen Zielerreichung sind, wie zum Beispiel das klassische Pseudoziel ,,Transparenz“. Mit der Transparenz, also dem Überblick über das Geschehen im betrachteten Bereich, will man Ziele wie zum Beispiel optimaler Einsatz der Mitarbeiter, schnelle Durchlaufzeiten etc. erreichen, die also die eigentlichen Ziele darstellen. Der Sinn eines Unternehmens ist der wirtschaftliche Erfolg, der durch Maßnahmen erreicht wird, die sich an diesem Ziel orientieren.
Ergebnis des Workshops ist eine Dokumentation des gemeinsam erarbeiteten Zielsystems, die an alle Beteiligten des Workshops sowie an alle Führungskräfte im Unternehmen verteilt werden sollte. Zusätzlich stellt die Geschäftsführung die erarbeiteten Unternehmensziele im Rahmen einer Betriebsversammlung oder durch Veröffentlichung in betriebseigenen Publikationsorganen allen Mitarbeiter vor. Durch zusätzliche Erläuterungen und Diskussionen der Mitarbeiter mit ihren Führungskräften erhält jeder Mitarbeiter Auskunft über Sinn und Zweck der neuen Zielsetzungen, sowie über deren mögliche Bedeutung für seine tägliche Arbeit.
Wie bereits angedeutet, ist die Umsetzungsinstanz für die strategischen Ziele des Gesamtunternehmens in den Abteilungen und Teams verankert. Zudem finden sich im gesamten Zielsystem quantifizierte und nicht quantifizierte Ziele nebeneinander. Verantwortlich für diese ,,Mischung“ war die Regel, Unternehmensziele auf der Ebene zu quantifizieren, auf der dies am leichtesten möglich ist. Die Aufspaltung und Quantifizierung der Unternehmensziele in die zugehörenden Abteilungs-/ Teamziele muss als komplexe Aufgabe bezeichnet werden. Grundsätzlich leisten alle Unternehmenseinheiten einen Beitrag zur Erfüllung der übergeordneten Unternehmensziele, mithin müssten zu jedem Unternehmensziel die jeweiligen Abteilungs-/ Teamziele formuliert werden. Dies wird in der Praxis nicht generell zutreffen, da manche Unternehmenseinheiten keine oder nur sehr geringe Beeinflussungsmöglichkeiten für spezifische Unternehmensziele haben.
Die Durchführung der aufgezeigten Schritte wird methodisch durch eine Reihe von Zielfindungsworkshops unterstützt, die von einem externen Moderator vorbereitet und durchgeführt werden. Am Ende der Zielformulierung für die Funktionsbereiche steht ein Rückkopplungsmechanismus mit den zuständigen Vorgesetzten, um die Zielidentifikation zu erhöhen.
Während die Zielfindungsworkshops bis zu diesem Zeitpunkt noch isoliert innerhalb der Unternehmenseinheiten durchgeführt werden können, erfordern die nachfolgenden Schritte ein übergeordnetes Arbeiten. Hierbei geht es um die Beseitigung von Zielkonflikten zwischen den beteiligten Abteilungen/Teams. Die klassischen Zielkonflikte zwischen Produktion und Vertrieb beispielsweise sind hier ebenso zu nennen, wie die Konkurrenz um Mittel für zu realisierende Investitionen vor dem Hintergrund der zu erreichenden Kapital-Verzinsung und der anzustrebenden Kapitalstruktur. Auf dieser Ebene ist ein besonderer Schritt zur Lösung existierender Zielkonflikte notwendig. Mit Hilfe der Cross-Impact-Analyse werden diese Zielkonflikte aufgezeigt und handhabbar gemacht. Die Abteilungs-/Teamziele werden in einer Matrix einander gegenübergestellt und Feld für Feld diskutiert. Die Ergebnisse der Cross-Impact-Analyse sind zunächst qualitativer Natur: Einzelne Zellen können als unproblematisch ausgesondert werden und bedürfen kaum einer Diskussion. Andere Zellen stellen ausschließende Zielbeziehungen dar und müssen einem Priorisierungs- und Auswahlprozess unterzogen werden. Wie die praktischen Erfahrungen gezeigt haben, verweisen derartige Konflikte in den Zielformulierungen auf die strategischen Alternativen der Zielerreichung und müssen methodisch unterstützt angegangen werden. Durch die Simulation verschiedener Handlungsszenarien und ihrer Auswirkungen auf die Zielerreichung kann eine Konfliktlösung herbeigeführt werden. Die Alternative mit der höchsten Zielerreichung für das übergeordnete Unternehmensziel ist zu präferieren und die Abteilungs-/Teamziele sind entsprechend anzugleichen. Die dargestellte Cross-lmpact-Analyse nimmt den größten Raum bei der Erstellung des Zielsystems ein und umfasst je nach Komplexität des Unternehmenszielsystems und der untersuchten Alternativen einen Zeitraum von 4 Wochen bis zu 3 Monaten.
3. Zielverankerung
Strategien und Ziele auf Managementebene sind für die Mitarbeiter des Unternehmens kaum fassbar. Soweit sie im Unternehmen publik gemacht werden, sind sie verschlüsselt, nicht verständlich formuliert, auf das gesamte Unternehmen bezogen, und vor allem fehlt der direkte Bezug zum Aufgabenfeld des Mitarbeiters. Ohne diesen Bezug beeinflussen die Ziele das direkte Aufgabenfeld der Mitarbeiter nur in geringem Maße oder gar nicht.
Um das Prinzip der Zielorientierung bis auf die Mitarbeiterebene zu verankern, ist es jedoch notwendig, ein Unternehmenszielsystem aufzubauen, das über die Hierarchiestufen hinweg die Unternehmensziele herunterbricht, klar definiert, konkretisiert und in direkt beeinflussbare Größen umsetzt.
Das Sichtbarmachen und die Vermittlung der Ziele sowie das direkte ,,Arbeiten mit Zielen“ ist der erste bedeutende Schritt zur Aktivierung der Mitarbeiter. Deren persönliche Organisationsfähigkeit und Kreativität initiieren einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
Um dies zu erreichen, muss das Zielsystem einigen methodischen Anforderungen genügen:
- Ziele müssen messbar sein
Die Ziele, die auf die jeweiligen Bereiche heruntergebrochen werden, müssen, um sie verständlich zu machen, klar definiert sein und in erster Linie aus dem Betriebsgeschehen heraus messbar sein. Für nicht messbare Ziele ist eine Rückkopplung über die Zielerreichung nicht möglich, das heißt der Erfolg durchgeführter Maßnahmen und Aktivitäten ist in diesen Zielbereichen nicht ermittelbar.
- Beeinflussbarkeit
Sind Ziele für die jeweiligen Bereiche so definiert, dass sie durch den Bereich selbst nicht beeinflussbar sind, werden diese nur passiv zur Kenntnis genommen. Es gilt diese Ziele soweit aufzusplitten, dass die Aktivitäten der Mitarbeiter in der Zielerreichung sichtbar werden und nachvollziehbar sind.
- Aktuelle Ergebnisrückführung
Auswirkungen von durchgeführten Maßnahmen müssen über schnelle Rückkopplungsschleifen an den ausführenden Bereich weitergegeben werden, um den Erfolg dieser Maßnahme zu bewerten und zu beurteilen.
- Transparenz der Ziele
Die Ziele müssen für die Mitarbeiter transparent sein, um Wirkungsmechanismen zwischen Prozessen, Schwachstellen, ihren Ursachen, zu ergreifenden Maßnahmen und deren Auswirkungen zu erkennen.
- Veranschaulichung der Zielerreichung
Sowohl der zu erreichende Zielwert als auch die aktuelle Zielerreichung muss in leicht lesbarer und verständlicher Form angezeigt werden.
Diese methodischen Anforderungen führen in ihrer Umsetzung direkt auf die Elemente des Zielsystems:
- Zuordnung von Kennzahlen zu Zielen
Aus der Definition der Ziele sind Kennzahlen abzuleiten. Über verschiedene Hierarchieebenen können Kennzahlen durchaus anders definiert sein, auf gleicher Ebene ist eine durchgängig gleiche Definition beizubehalten.
- Benennung eines Verantwortlichen
Um die Ziele nicht frei im Raum stehen zu lassen, ist es notwendig, eine Person des Bereichs, meist den Abteilungsleiter oder Teamsprecher, als Verantwortlichen zu benennen, der nach außen hin die Zielerreichung verantwortet und intern dafür sorgt, dass durch alle Mitarbeiter entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung gefunden und umgesetzt werden.
- Festlegung eines Zielwertes
Für die zu einem Ziel gehörende Kennzahl ist ein Zielwert festzulegen, der als Messlatte für den entsprechenden Bereich gilt. Diese Zielwertfestlegung erfolgt im Rahmen des Zielfindungsprozesses zwischen Vorgesetzten und Verantwortlichen bzw. dem Bereich selbst. Argumente beider Seiten führen einerseits zu einem erreichbaren Zielwert, andererseits wird damit die Akzeptanz bei den Mitarbeitern gesteigert. Neue Anstöße zur Verbesserung werden hierbei von außen eingebracht und intern weiterverfolgt.
- Festlegung des Zeitraums
Um die Ergebniskontrolle zu ermöglichen, ist der Zeitraum bis zur Zielerreichung vorzugeben.
- Grafische Visualisierung
Nach der eigentlichen Berechnung der aktuellen Kennzahlenwerte sind die Ergebnisse leicht lesbar darzustellen. Zeitliche Entwicklungen der Kennzahlen müssen erkennbar sein.
- Dynamik
Das Unternehmen stellt sich einer turbulenten Umwelt mit ständig sich ändernden Anforderungen. Diese Anforderungen müssen sich im Unternehmenszielsystem widerspiegeln.
Die lokalen Ziele werden den Bereichen nicht aufgezwungen, sondern in einem Abstimmungsprozess gemeinsam ermittelt. Dadurch wird eine optimale Unterstützung des Unternehmenszielsystems durch die lokalen Zielsysteme erreicht und sichergestellt, damit das Unternehmen durchgängig auf allen Ebenen zielorientiert ausgerichtet ist. Jeder einzelne Mitarbeiter kann somit seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Die Folge ist eine verstärkte Identifikation mit ,,seinem“ Unternehmen und ,,seinem“ Bereich und dadurch auch eine stark verbesserte Motivation.
Die lokalen Zielsysteme müssen hinsichtlich der Gewichtung keinesfalls mit dem übergeordneten Unternehmenszielsystem identisch sein, es ist jedoch sicherzustellen, dass sie ihm nicht entgegen wirken.
Je prozessnäher die Aufgabe ist, desto konkreter muss das Zielsystem sein. Die Zielsysteme stellen jedoch keine festgelegte Steuergröße dar, sondern müssen an geänderte Situationen jeweils neu angepasst werden. Um die bereichsinternen Ziele und die zur Zielerreichung eingeleiteten Maßnahmen sowohl für die Mitarbeiter als auch nach außen zu visualisieren, wird in den jeweiligen Abteilungen/Teams eine Zieltafel aufgestellt. Dabei werden sowohl das Unternehmenszielsystem dargestellt und erläutert, als auch die Unterziele des Bereichs inklusive der Gewichtung und den entsprechenden Maßnahmen visualisiert. Die Zieltafel wurde gemeinsam mit den Abteilungs-/Teamleitern und -koordinatoren erarbeitet.
Beim Umgang miteinander müssen einige Verhaltensregeln beachtet werden, um effizient mit den Bewegungsräumen umzugehen, die sich jedem Mitarbeiter durch die Vorgabe von Zielen eröffnen. Die nachfolgend genannten Regeln spiegeln dabei die Erfahrungen während der Realisierungsphase wider:
- Der Abteilungs-/Teamleiter kann zur Lösung von Problemen oder bei Vorschlägen zur Verbesserung von Arbeitsabläufen Besprechungen einberufen. Der Bereich kann dabei Einladungen aussprechen, auch an Personen außerhalb des eigenen Bereichs (auch über Hierarchiegrenzen hinweg).
- Vor Gesprächsrunden wird eine Tagesordnung aufgestellt. Nach einem stattgefundenen Gespräch wird ein Ergebnisprotokoll angefertigt.
- Die Gesprächsrunden innerhalb des eigenen Bereichs und auch zwischen den Bereichen sollen stets zielgerichtet durchgeführt werden. Der Gesprächsaufwand muss dem erwarteten Nutzen angemessen sein.
- In Gesprächsrunden können bindende Entscheidungen getroffen werden, sofern von allen Bereichen, die von der Entscheidung betroffen sind, Vertreter anwesend sind. Für die entsprechenden Vertreter besteht Anwesenheits-pflicht, damit eine Entscheidungsfindung möglich wird. Je nach Problemstellung sind dabei verschiedene Hierarchiestufen zu berücksichtigen.
- Entscheidungen müssen von allen Beteiligten getragen werden. Ist eine einstimmige Einigung auch nach der zweiten Gesprächsrunde zu diesem Thema nicht zu erreichen, so muss die übergeordnete Entscheidungs-/Hierarchieebene eine Entscheidung herbeiführen.
- Die Gespräche werden grundsätzlich vor Ort durchgeführt.
- Für jeden Mitarbeiter muss das anstehende Tagesgeschäft sichtbar sein. Durch Nebenzeiten (z.B. Gespräche) darf das Tagesgeschäft nicht nachhaltig negativ beeinträchtigt werden.
- Die Bereiche können Umstrukturierungen innerhalb des eigenen Bereichs veranlassen, sofern die neue Struktur einen optimierten Arbeitsablauf darstellt. Zur übergeordneten Ebene besteht bei grundlegenden Umstrukturierungen Informationspflicht.
- Die Organisationsform innerhalb eines Bereichs ist vom Bereich selbst frei wählbar. Wo gewollt, können Gruppen gebildet und Gruppensprecher gewählt werden. Diese Form ist jedoch nicht bindend.
- Innerhalb der aufgezeigten Regeln, Grundsätze und Aufgaben kann sich der Bereich frei bewegen.
manufactus GmbH in Kooperation mit Helmuth Gienke
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