Toyota Produktionssystem – Die Realisierung

Toyota Produktionssystem – Die Realisierung (Teil 2 / 4)

2.1 Grundlagen

Für die Schlanke Produktion oder das Toyota Produktionssystem gibt es keine geschlossene Theorie oder ein Verfahren, das man ohne eigene Kreativität einführen kann. Es sind vielmehr die Grundsätze und Methoden, die zu den verschiedenen Ausprägungen führen.

Die Grundsätze sind, vereinfacht ausgedrückt:

  1. Es wird nur das erarbeitet, was benötigt wird und nur zu dem Zeitpunkt, wann es benötigt wird, das gilt für die Menge, für die Organisation und für die Produkteigenschaften, alles andere ist Verschwendung (wir wollen das als abnehmerorientierte Produktion bezeichnen).
  2. Zu jedem auftretenden Fehler werden mit hoher Priorität die Ursachen gesucht und Lösungen erarbeitet, den Fehler zu beseitigen (diese nennen wir fehlerfreie Produktion; sie geht erheblich über Zero Defect hinaus).
  3. Alle Mitarbeiter und auch die externen Zulieferer sind aufgefordert, die Produkte und Verfahren ständig zu verbessern und partizipieren am Betriebsergebnis (wir verwenden hier den Begriff optimale Produktion).

Zur Realisierung dieser Grundsätze sind verschiedene Methoden entwickelt worden, die ebenso Bestandteil der Schlanken Produktion sind. Diese Methoden werden in den folgenden Beiträgen erläutert.

Die wichtigsten sind, wobei wir weitgehend die eingeführten Ausdrücke verwenden, auch wenn sie im atlantischen Bereich häufig nicht exakt im eigentlichen Sinn des Toyota Produktionssystem begriffen werden:

  • KAN BAN als Hilfsmittel zur Just in Time Production, die den zeitlichen und mengenorientierten Aspekt der abnehmerorientierten Produktion betrifft.
  • KAI ZEN, das zur ständigen Anpassung an die jeweilige Situation anregt und als permanenter Prozess zu begreifen ist.
  • ONE PIECE FLOW, um durch Losgröße 1 Fehler schneller zu erkennen, die Auslastung zu egalisieren und mehrere weitere Vorteile zu erreichen.
  • HEIJUNKA; das Besterben durch gleichmäßige Auslastung den Aufwand zur Produktion zu senken und die Kapazitäten dem Bedarf besser anzupassen.
  • Fertigungszellen, in denen möglichst viele Arbeitsschritte für eine Teilefamilie zusammengefasst werden.
  • Rüstzeitreduzierung durch mehrere Ansätze, z.B. Externes Rüsten, Vorrichtungen usw. mit dem Ziel „eine Minute Rüsten“ (Single Minute Exchange of Die / SMED).
  • Wertstromanalyse, um den Fertigungsablauf und die Arbeitsplatzanordnung / -gestaltung zu optimieren.
  • MANAGEMENT BY VIEW, dass alle Abläufe so gestaltet werden, dass man Unregelmäßigkeiten durch reines Hinsehen erkennt, z.B. mit dem Hilfsmittel Andon, der Kennung eines Status durch Lampen usw.
  • POKA YOKE (Narrensicherheit) mit der man alle Abläufe möglichst fehlersicher gestaltet.
  • JIDOKA mit dem ein Vorgang gestoppt wird, wenn erkannt wird, dass er fehlerhaft abläuft.
  • Quality Circle, die freiwillige Bereitschaft, im Team Abläufe zu verbessern.
  • Die „wissenschaftliche Methode“ zur Analyse der Ursachen von Fehlern und Störungen.
  • PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act, auch Deming Kreis), aus dem das RCPA (Requirements – Check – Plan – Act) entwickelt wurde.

Für die Einrichtung und die Pflege des Arbeitsplatzes sind die 5S als Verpflichtung vorgegeben:

  • Seiri = Ordnung/ Übersichtlichkeit
  • Seiton = Einrichtung
  • Seiketsu = Sauberkeit/ Reinheit
  • Seiso = Reinigung/ Pflege
  • Shukan = Gewöhnung

Häufig wird noch entweder alternativ oder ergänzend (6S)

  • Shitsuke = Disziplin

angegeben.

Diese Verpflichtungen sind mitentscheidend für den Erfolg des TPS, weil sie einerseits durch Übersichtlichkeit und Sauberkeit den Aufwand reduzieren, andererseits die Akzeptanz des Arbeitsplatzes und dadurch die Motivation der Mitarbeiter erhöhen.

2.2 Unterschiede zu Taylorschen Methoden

Die einzelnen Methoden der Schlanken Produktion beeinflussen sich gegenseitig und schaffen dadurch Sachzwänge, die zur Befolgung der Grundsätze führen. Zum Beispiel erzwingt die Just in Time Produktion weitgehend fehlerfreie Anlieferung der Bauteile und damit höhere Qualität.

Weiterhin ist auffällig, dass die Kooperation mehrerer Instanzen oder Organisationseinheiten ein wesentliches Element ist, was zum Abbau der Verschwendung durch Bürokratie und zur Verteilung der Verantwortung auf die einzelnen Mitarbeiter führt. Das trägt zur gegenseitigen Anerkennung und Verantwortungsbewusstsein bei.

Ein signifikanter Unterschied gegenüber dem Taylorismus ist, dass nicht der Output in der Menge zählt (Schubprinzip), sondern die exakte Bedienung der Abnehmerwünsche (Zugprinzip). Man hat erkannt, dass man nicht durch Arbeit Werte schafft, sondern durch die Bedarfsdeckung.

Unterschied der Produktionsphilosophie

Abbildung 3: Unterschied der Produktionsphilosophie

Fehler werden bei der Schlanken Produktion in der laufenden Produktion beseitigt, notfalls mit Anhalten der Produktion durch den Mitarbeiter, der den Fehler entdeckt, was für eine herkömmliche Fertigung mindestens der Entscheidung der Schichtaufsicht bedarf.

Populärste Ausprägung in Deutschland ist die „Wendelinleine“ bei Porsche

(benannt nach dem Vorstandsvorsitzenden und Promotor der Schlanken Produktion, Wendelin Wiedeking), mit der jeder Arbeiter die Produktion stoppen sollte, wenn er einen Fehler entdeckt. Auch in Europa sinkt die Ausfallzeit der Fertigung in der Schlanken Produktion gegenüber dem herkömmlichen Verfahren erheblich.

Fehler werden aber nicht einfach beseitigt, sondern es wird nach einen strengen, detailliert vorgegebenem Verfahren, der sogenannten „wissenschaftlichen Methode“ nach den eigentlichen Ursachen geforscht. Diese Methode besteht auf folgenden Schritten, die als Beispiel für die detailliert vorgegebenen Verfahren im Toyota Produktionssystem aufgeführt sind.

Alle Schritte sind zu dokumentieren:

  1. Beschreibung des Ausgangszustandes.
  2. Root Cause Analysis, der deutsche Begriff ist Ursache-der-Ursache-Methode, d.h. Ursachenverfolgung bis zur eigentlichen Ursache.
  3. Maßnahmen (möglichst mehrere) und deren erwarteten Auswirkungen definieren.
  4. Durchführung der einzelnen Maßnahmen.
  5. Analyse der Ergebnisse der Maßnahmen und eventuelle Korrektur.

Es wird überprüft, ob die vorhergesehenen Ergebnisse eingetreten sind, wenn nicht, ist die Ursache für die Abweichung zu analysieren und die Prozedur zu wiederholen.

Transportbänder, auf denen Werkstücke zu einer Reihe von mehreren Mitarbeitern transportiert werden, damit diese sich willkürlich die Teile nehmen, die sie bearbeiten wollen, sind absolut verpönt.

Bezeichnend ist, dass bei Verbesserungen nicht so sehr auf die Kosten geachtet wird, sondern die Maßnahmen eher unter den Aspekten Verschwendung vermeiden, Abläufe beschleunigen, Arbeitsgang vereinfachen usw. betrachtet werden. Als Beispiel dient die Ansicht „Bestände sind Verschwendung“. Eine klassisch betriebswirtschaftlich orientierte Betrachtung kann durchaus ergeben, dass Lagerhaltung sinnvoll ist, aber allein schon die Tatsache, dass Lagerhaltung Probleme verdeckt, wird als rechtfertigend angesehen.

Ein Ziel des Toyota Produktionssystems ist die Vereinfachung.

Komplexe Systeme sind schwer beherrschbar, das gilt nicht nur für Produkte, sondern auch für Prozesse. Als Beispiel für diese These gelten die Projekte der Computer Integrated Manufacturing (CIM), die in den 80er Jahren modern waren. Die Idee der durchgängigen Steuerung der Abläufe mittels Informationstechnologie war bestechend, erwies sich aber als nicht realisierbar und zu starr.

Der Vorbehalt, das Toyota Produktionssystem sei nur im kulturellen Umfeld Japans realisierbar, hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Das Toyota Produktionssystem ist als die Schlanke Produktion ohne wesentliche Probleme im westlichen Bereich einsetzbar. Toyota hatte sich nach einer Erprobungsphase bei Nummi, dem gemeinsamen Unternehmen von General Motors und Toyota, entschlossen auch in Amerika Fabriken mit dem Toyota Produktionssystem zu erstellen.

Als Ergebnis bewirkt die Schlanke Produktion gegenüber tayloristischen Verfahren

  • weniger Ausschuss,
  • geringeren Lagerbestand,
  • geringere Herstellungskosten und
  • schnellere Reaktion auf geänderte Marktanforderungen.

In den folgenden Beiträgen werden wir das Thema vertiefen.

manufactus GmbH in Kooperation mit Helmuth Gienke

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