Die ursprüngliche Stückliste ist eine Liste der Bauteile des dargestellten Bauteils oder Produktes in einer Konstruktionszeichnung. Bei der schwach organisierten Produktion der Vergangenheit war diese Methode voll ausreichend. In der Zwischenzeit ist aber der Organisationsgrad in allen Gewerken der Produktion stark verbessert worden, besonders im Bereich der Konstruktion, Logistik (z. B. Material-beschaffung, Montage und Versand) und der Qualitätssicherung. Aus dieser Tatsache ergeben sich die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Strukturen. Es gibt also eigentlich nicht die eine Strukturstückliste, sondern je nach Bedarf für jede Funktion der Herstellung unterschiedliche.
Das fertige Produkt
Hier ist als Beispiel eine Stehlampe aus einem Baumarkt herangezogen. Die Lampe ist etwa 1,70m hoch, besteht aus einem Fuß, einer Lampenstange und dem Lampenkopf mit Stromkabel und Birnenfassung.
Die Sicht der Konstruktion
Der Bereich Konstruktion betrachtet die Strukturen aus einer funktionsorientierten Sicht, wobei die mechanische Realisierung zurücktritt. Die Lampe wird aufgegliedert in Funktionsgruppen, die zur Erfüllung einer Funktion erforderlich sind. Sie werden unabhängig von ihrer produktionstechnischen Anordnung zusammengefasst. Es kann durchaus sein, dass aus Sicht der Konstruktion Bauteile von mehreren Funktionsgruppen gestaltet werden. Im konkreten Fall bilden Fuß und Lampenstange eine konstruktive Einheit, die als Baugruppe dargestellt werden kann. Bemerkenswert ist, dass die Lampenstange unterteilt ist, was weder funktionsorientiert noch fertigungstechnisch sinnvoll ist, wohl aber aufgrund einer Forderung aus dem Versand entspricht, nämlich, dass zum Transport die einzelnen Bauteile eine bestimmte Größe nicht überschreiten dürfen.
Die Sicht der Fertigung
Die Fertigung dagegen betrachtet die Struktur aus fertigungstechnischer Sicht mit starker Auflösung in einzelne Bauteile, z.B. den Fuß aus Bodenblech, Stabilitätsgewicht und Deckplatte in Einheit mit den zwei Teilen der Lampenstange und deren Laschenverbindung. Im Maschinenbau, wenn gemeinsame Bearbeitung, zum Beispiel zur Erzielung glatter Flächen oder konzentrischer Bohrungen, erforderlich ist, werden Teile gemeinsam betrachtet.
Die Sicht der Montage
Die Montage betrachtet die Strukturen aus der Sicht der Montagereihenfolge, der Vormontage und der Funktionserprobung. Das baut meist auf der Sichtweise der Fertigung auf, aber es kann Ausnahmen geben, wenn zuerst nur Teile einer Baugruppe mit Teilen einer anderen montiert werden, z.B. die Kurbelwelle in ihre Lager gelegt wird, ehe die Pleuel montiert werden.
Im vorliegenden Beispiel wird die Struktur nicht als Stückliste aufgeführt, sondern es wird eine Montageanleitung mit detaillierten Skizzen erstellt, weil die Lampe vom Kunden montiert wird. Es wäre nicht sinnvoll, diese Anleitung hier einzufügen.
Die Sicht des Versands
Analog betrachtet der Versand die Strukturen versandorientiert, also eventuell als vormontierte Einheiten in versandgerechter Form und Größe. Das kann durchaus bedeuten, dass über die Grenzen von Funktions- und Baugruppen hinweg versandfähige Bauteile durch Demontage erstellt werden, deren einziger logischer Zusammenhalt die Versandfähigkeit ist. Stücklisten, die Teilegruppen ausschließlich nach Versandgesichtspunkten strukturieren sind jedoch sehr selten. Im Fall der Lampe z.B. ist der Fuß eine Versandeinheit, die Lampenstange wird in ihren beiden Hälften getrennt betrachtet, wobei die Lasche einem der beiden Teile zugeordnet wird.
Die Schrauben für die Verbindung von Fuß und Stange werden extra versandt, zusätzlich noch ein Schlüssel für die Befestigung durch die Innensechskant-schrauben, denn es handelt sich um ein Produkt für den Baumarktkunden.
Zusammenfassung
Für die Fertigung und die Kalkulation ist die synchronisierte Kombination aus Materiallisten (Stücklisten) und Arbeitsganglisten (Arbeitsplänen) üblich. Diese Kombination wird meist als „Fertigungsplan“ bezeichnet. Die Trennung zwischen Arbeitsplänen auf der einen Seite und Stücklisten auf der anderen Seite ist überholt. Dagegen werden verschiedene Arten der Stückliste aus dem Fertigungsplan extrahiert.
Allgemein üblich ist die Strukturstückliste, die detailliert die Baukastenstruktur des Produktes darstellt, meist nur aus Fertigungssicht. Die Mengenstückliste ist eine Zusammenstellung aller Materialkomponenten des Produktes ohne Darstellung der Struktur, also der einzelnen Baukästen. Die Stücklistenarten werden im Kapitel „Informationsbasis der Produktionsplanung und –steuerung“ des Handbuch Produktion (Herausgeber: Helmuth Gienke, Rainer Kämpf) detailliert beschrieben.
manufactus GmbH in Kooperation mit Helmuth Gienke
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