Durchsetzung der Unternehmensstrategie

Eine einheitliche, den operierenden Organisationseinheiten vertraute Strategie, ist Basis für die erfolgreiche Arbeit eines Unternehmens. Die Strategie muss auf einen Markterfolg gerichtet sein, um Existenz und Zukunft eines Unternehmens zu gewährleisten. Unter Strategie des Unternehmens versteht man aber nicht nur die Markstrategie, sondern eine ganzheitliche, alle Elemente und Ebenen des Unternehmens umfassende Zielsetzung zur optimalen Bedienung der potenziellen Kunden.

Industriebetriebe haben fast durchgängig klare Zielsetzungen, die teilweise mit Kennzahlen, wie Umsatz oder Mitarbeiterentwicklung quantifiziert ist. Diese Ziele werden mit einer mehr oder minder intuitiv verfolgten Strategie von der Unternehmensführung angestrebt. Häufig, besonders im Mittelstand, ist sie nicht artikuliert, sondern nur als nonverbale Vorstellung des Geschäftsführers existent. Aber selbst wenn die Strategie artikuliert wurde, ist sie nur im kleinen Kreis der Führungskräfte und zentraler Stabsfunktionen bekannt. Diese Strategie führt nicht zum gewünschten Erfolg, wenn die umfassende Umsetzung in das Tagesgeschäft ausbleibt.

Wenn das Mittel Anweisungen sind, die von den Mitarbeitern ohne Kenntnis tieferer Zusammenhänge ausgeführt werden, haben wir den jetzigen, unbefriedigenden Zustand. Die Mitarbeiter sind bestrebt, die ihnen aufgegebenen Arbeiten möglichst optimal auszuführen, reagieren aber auf Abweichungen vom Ziel, sei es durch Missverständnisse oder durch geänderte Bedingungen, nahezu gar nicht, weil sie diese nicht erkennen.

Die optimale und durchgreifende Umsetzung erfordert zielgerichtetes, strategie-konformes Handeln aller Mitarbeiter. Basis sind eine entsprechende Produktions-struktur sowie Zielfindungs- und Zielverfolgungsmechanismen im Betrieb. Außerdem müssen sich die Mitarbeiter mit den Elementen der Unternehmensstrategie vertraut gemacht haben.

Die Teams können eigene Strategien entwickeln, um die für sie herunter-gebrochenen Ziele zu erreichen. Da diese Ziele aber von den Unternehmenszielen abgeleitet werden und die Mitarbeiter durch Anreizsysteme und Zielverfolgungs-systeme motiviert sind, sich auf die Erfüllung dieser Ziele zu konzentrieren, werden diese Strategien auch der Unternehmensstrategie entsprechen. Sind sie schlechter geeignet, werden sie durch eigene Erkenntnisse schnell modifiziert, ist eine Strategie besser geeignet, wird sie auf gleichem Weg vom Unternehmen adaptiert. Der Wettbewerb unterstützt also auch hier die Suche nach dem Optimum.

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich, dass die Vernetzung der bisher egozentrisch ausgerichteten Gruppen im Unternehmen erforderlich ist. Mit dem Gestaltungsprinzip „Selbstähnlichkeit“ aller Ebenen des Betriebes kann dieses Ziel erreicht werden. Dieses Prinzip muss sich deshalb im Modellansatz niederschlagen. Daraus ergeben sich die Strukturen und die erforderlichen Lenkungsmechanismen, um die Mitarbeiter anzuspornen, ihre Aktivitäten auf die Unternehmensziele zu richten.

Aus dieser Überlegung wurde in den neunziger Jahren am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) ein Modellansatz für die Gestaltung von Unternehmensstrukturen entwickelt, der 6 Ebenen umfasst:

  • Kultur
  • Strategie
  • sozio-informelles Verhalten
  • wirtschaftliche Aspekte
  • Information
  • Prozesse und Materialfluss

Das Strukturmodell des IPA

Die Ebene Strategie umfasst im Modell, neun Parameter, was ein Indiz für die Bedeutung dieser Ebene ist. Die Parameter sind im Einzelnen:

1. Zieldefinition

Wie bereits mehrfach erwähnt, werden Ziele in der modernen Fabrik vereinbart und sind das wesentliche Element einer Strategie als Teil der Unternehmenskultur. Durch die Ableitung von den Unternehmenszielen sind sie einander selbstähnlich. Die Zielvereinbarungsmethoden dienen dazu, die Ziele akzeptiert und allgemein bekannt zu machen, als Voraussetzung für die Zusammenfassung aller Kräfte zur optimalen Umsetzung der Strategie des Unternehmens. Diese Ziele müssen klar definiert werden und quantifizierbar sein, um ihren Erfüllungsgrad verfolgen und darstellen zu können. Dieses dient im Wesentlichen dem Anreiz der Mitarbeiter und weniger der Fremdkontrolle durch die Vorgesetzten. Wenn der Erfüllungsgrad der Ziele nicht verfolgt werden kann, fehlt ein wesentliches Motiv, sich zu engagieren.

Die Ziele müssen realistisch und erreichbar sein, also den vorhandenen Ressourcen und Rahmenbedingungen, beispielsweise des Marktes, angepasst sein. Werden die Ziele in diesem Kontext erarbeitet und formuliert, sind sie zwangsläufig in direkte Aufgabenerfüllung umsetzbar. Die Mitarbeiter sind außerdem motiviert, sie umzusetzen, denn die Teams sollten ausschließlich an der Erfüllung dieser Ziele gemessen werden und nicht an tradierten Nebenzielen. In der Lean Production sind die Ziele nur undeutlich und informal formuliert. Die Ursache ist die unbewusste Abneigung der Japaner, genaue Vorschriften zu machen. Diese Abneigung wurzelt im kulturellen Umfeld, auch wenn sie die japanische Gesellschaft nicht vollkommen durchzieht. Die Ziele werden von der Unternehmensleitung vorgegeben, wobei sie zur Definition den Konsens mit der nächsten Führungsebene sucht. Die Absicht des Unternehmens wird den Mitarbeitern durch mündliche und plakative Kommunikation vermittelt, ohne die erforderliche klare Formulierung. Diese Vermittlung erfolgt in sehr langsamen Verfahren, die dazu noch iterativ wiederholt werden, wenn die Absicht nicht entsprechend den Anforderungen akzeptiert wird.

Das dieses Verfahren zum Erfolg führt, liegt im Bestreben, nach allen Seiten einen Konsens zu finden, um die Harmonie in der Familie zu bewahren.

In der klassischen Gruppenarbeit werden die Ziele von den Vorgesetzten definiert und der Gruppe vorgegeben. Da aber in der Zwischenzeit allgemein bewusst ist, dass die Beteiligung der Betroffenen ein gutes Hilfsmittel zur Durchsetzung ist, hat sich dieses Verhalten gewandelt und die Ziele werden im Normalfall mit den Mitarbeitern definiert, allerdings unter starker Dominanz der Vorgesetzten.

2. Marktausrichtung

Die Ausrichtung der Aktivitäten auf die Anforderungen des Marktes kann mit dem Zielsystem erreicht werden. Dabei muss im Rahmen der Unternehmensstrategie der Aspekt der Marktorientierung als Mittel zur Erreichung der Unternehmensziele herausgearbeitet und es müssen entsprechende abgeleitete Ziele definiert werden. Die Ziele werden mit dem üblichen Zielmechanismus durchgesetzt. Dabei ist interessant, dass die Marktausrichtung nicht unbedingt ein Ziel der Fabrik sein muss, wenn sie es auch im Allgemeinen sein wird. Für Forschungsprojekte kann das aber durchaus anders sein.

Die Lean Production ist streng marktorientiert, wobei die Mitarbeiter gehalten sind, ständig Verbesserungen zu suchen, die die Marktakzeptanz der Produkte verbessern. Aus der internationalen Ausrichtung des japanischen Marktes mit unterschiedlichen Gütern, resultiert außerdem die Erkenntnis, dass jeder Markt seine eigenen Eigenschaften hat, an die man sich anpassen muss.

Die klassische Gruppenarbeit kennt keine Marktorientierung. Die Marktorientierung wirkt sich nur im Nachhinein durch den Absatz der Produkte und die daraus resultierende Beschäftigungslage aus.

3. Kundenausrichtung

Analog zur Marktausrichtung kann im Unternehmen die Kundenausrichtung durch entsprechende Ziele als Bestandteil der Unternehmensstrategie durchgesetzt werden. Dieses ist besonders in der auftragsbezogenen Fertigung wichtig, in der ausschließlich der Einzelkunde angesprochen wird. Aber auch in der Lagerfertigung spielt dieser Aspekt bei Liefertermintreue und der Auslieferung der Ware eine wesentliche Rolle, wofür der Einzelhandel das Wort Bedienen benutzt. Die optimale Erfüllung der Kundenwünsche ist ein wesentliches Hilfsmittel für den Unternehmenserfolg.

Die Lean Production ist streng kundenorientiert. Mit dem KAN BAN Verfahren wird genau für den Bedarf des Kunden produziert, wobei die Mitarbeiter gehalten sind, ständig Verbesserungen zu suchen, die die Akzeptanz der Produkte durch den Kunden verbessern. Ein wesentliches Element japanischer Unternehmen ist die pragmatische Erkenntnis, dass der Kunde das Geld für den Unterhalt der Mitarbeiter liefert.

Die klassische Gruppenarbeit kennt keine Kundenorientierung. Die Kundenwünsche wirken sich nur im Nachhinein durch den Absatz der Produkte und die daraus resultierende Beschäftigungslage aus.

4. Führung

Durch die Zielfindungsmechanismen und die Autonomie der Mitarbeiter im modernen Unternehmen sind klare Kompetenzen definiert. Das Team oder der einzelne Mitarbeiter hat durch die Erfüllung der abgeleiteten Ziele seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten und sollte vorwiegend dadurch geführt werden. Wenn das Team nicht agiert wie erwartet, können zum Beispiel die Ziele falsch definiert oder die Zielanreize unterdimensioniert sein. In diesem Fall findet kein Eingriff durch Anweisungen, sondern durch Änderung des Zielsystems statt.

Die moderne Fabrik will die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter durch eine hohe Motivation steigern. Bei dem hohen Individualisierungsgrad der mitteleuropäischen Gesellschaft sind hierzu Selbststeuerung und Erfolgserlebnisse Voraussetzung, die durch den hohen Grad an Autonomie und die Leistungsanreize des Zielsystems erreicht werden.

Das Führungsprinzip der Lean Production ist intensiv durch das kulturelle Umfeld geprägt. Vereinfacht kann festgestellt werden, dass der Vorgesetzte als Senior zwar hohen Respekt genießt, aber von seiner Machtfülle nur selten Gebrauch macht und die Entscheidung weitgehend seinen Mitarbeitern überlässt. Die schlechte Reaktionsfähigkeit dieses Verfahrens wird weitgehend durch das hohe Engagement der Mitarbeiter ausgeglichen. Die Mitarbeiter fühlen sich als Bestandteil einer Familie, auf die sie sich verlassen können, für die sie aber im Ausgleich optimale Leistung bringen müssen. Im Gegenzug erfolgt die Anerkennung durch eine hohe Beteiligung an den materiellen und immateriellen Erfolgen des Unternehmens. Meist sind mehr als 40% der Einkünfte abhängig vom Unternehmenserfolg.

In der Gruppenarbeit hat der Mitarbeiter zwar innerhalb der Gruppe relativ hohe Freiheit. Er muss aber die Ergebnisse liefern, die ihm vorgegeben werden. Innerhalb der Gruppe bildet sich die Hierarchie durch gruppen-dynamische Prozesse heraus. Man versprach sich durch die relative Freiheit einen Motivationsschub, der aber meist nur kurzfristig eintrat. Die Mitarbeiter erkannten schnell, dass man ihre Vorstellungen nicht wirklich ernst nahm.

5. Zeitrahmen

Ein wesentliches Element der modernen Fabrik ist der dimensionierbare Zeitrahmen. Ist ein kurzer Zeitrahmen erforderlich, können die Ziele schnell geändert werden. Erfordert dagegen die Strategie längerfristige Entwicklungen, können die Ziele lange beibehalten oder kontinuierlich angepasst werden.

Die Lean Production ist auf langfristige Erfolge ausgelegt. Wenn sich ein Verfahren bewährt hat, wird es nur zögernd geändert. Auch werden durch wesentliche Änderungen keine schnellen Erfolge erwartet. Das System ist auf kontinuierliche Entwicklung und nicht auf revolutionäre Innovationen ausgelegt.

Die klassische Gruppenarbeit kennt keinen eigenen Zeitrahmen sondern unterliegt den Vorgaben von außen.

6. Innovation

Ein modernes Unternehmen hat durch die Autonomie und Leistungsanreize optimale Voraussetzungen für Innovationen. Durch gesonderte Zielsetzung, zum Beispiel das Ziel neue Produkte zu entwickeln, kann eine innovative Einstellung noch stärker herausgefordert werden.

Die Lean Production hat das Ziel, die Fertigung stetig und optimal zu gestalten. Die größten Erfolge hat dieses Verfahren in der Serienfertigung gehabt, ist aber für Innovationen nicht gut geeignet. Innovative Produkte kommen meist von außen. Durch die permanente Verbesserung wird das einmal ausgewählte Produkt oder Verfahren aber zur Perfektion entwickelt.

Der Innovationsrahmen der klassischen Gruppenarbeit ist sehr eng gezogen und durch die Aufgaben der Gruppe begrenzt. Da Innovationen erst am Erfolg gemessen werden, besteht wenig Anreiz zu innovativer Einstellung.

7. Qualität

Analog zur Marktausrichtung wird ein erforderlicher Qualitätsstandard in einer modernen Fabrik durch entsprechende Zielsysteme erreicht. Das Team ist für die Qualität der Leistung verantwortlich. Es gibt keine anonymen Kontrollinstanzen, der Verursacher von Qualitätsmängeln ist schnell identifizierbar.

Durch die angestrebte geringe Fertigungstiefe gibt es klare Verantwortung für die Leistung und Anreiz, optimale Qualität abzuliefern. Die Anreizsysteme bringen neben dem Ansehensgewinn durch optimale Qualität auch die entsprechende materielle Belohnung.

In der Lean Production ist Qualitätsstreben integrierter Bestandteil. Einzelne Teilverfahren, wie zum Beispiel KAN BAN, arbeiten nur bei einem sehr hohen Qualitätsstandard. In der Zeit vor der Entwicklung der Lean Production galten die japanischen Produkte als minderwertig, aber billig. Das Streben nach Qualität wurde erst realisiert, als dieses Problem bewusst wurde, was unter anderem durch intensive Arbeit amerikanischer Wissenschaftler, wie Demming, bewirkt wurde.

In der klassischen Gruppenarbeit ist die Qualität in die allgemeine Qualitätspolitik des Unternehmens eingebunden. Das mag zwar als hoher Integrationsgrad gelten, jedoch kommen von der Gruppenarbeit keine zusätzlichen Anreize zur Qualität, wenn sie nicht durch das Qualitätswesen eingerichtet werden

8. Bestandspolitik

Bestände sind Ausdruck der Furcht, nicht lieferfähig zu sein und mangelndem Vertrauen zu den Zulieferern. Die Zielsysteme eines modernen Unternehmens geben die Möglichkeiten, diese Bedenken zu reduzieren, indem die Zulieferer zur moralischen und materiellen Verantwortung für Liefertreue und -qualität herangezogen werden. Damit kann diese Komponente und deren Auswirkungen reduziert werden. Außerdem bewirkt die angestrebte geringe Fertigungstiefe eine weitere Reduzierung der Bestände. Die Bestandspolitik liegt damit in den Händen der Unternehmensführung und wird nicht durch zweifelhafte Maßnahmen und Verschiebung der Verantwortung verwässert.

Die Lean Production hat als Philosophiebestandteil die Ansicht, dass Bestände Verschwendung (MUDA) sind und abgebaut werden müssen. Sie gelten als Hindernis für die Entdeckung wahrer Probleme.

Ein wesentliches Hilfsmittel zum Bestandsabbau sind die Grundsätze Management by View und KAN BAN. Bestände werden gezielt reduziert.

Die klassische Gruppenarbeit hat keine besondere Bestandspolitik.

9. Flexibilität

Ein modernes Unternehmen zeichnet sich durch hohe Flexibilität aus. Schnelle Vereinbarung akzeptierter und allgemein bekannter Ziele ermöglichen schnelle Reaktionen der Produktion auf geänderte Rahmenbedingungen. Die relativ kleinen Gruppen können sich intern schnell auf geänderte Bedingungen umstellen.

Die Lean Production ist hier zwiefältig: einerseits wirkt sich das Bestreben nach stetiger Fertigung als Reduzierung der Flexibilität aus, dem aber andererseits das allgemein bewusste Bestreben nach optimaler Kundenwunscherfüllung gegenübersteht. Die Auswirkung ist, dass die japanischen Unternehmen zwar intern schnell auf Kundenwünsche reagieren, soweit die Änderungen überschaubar sind, wesentliche Umstellungen aber vom Management oder sogar durch äußere Einflüsse initiiert werden müssen.

Die klassische Gruppenarbeit ist nur bedingt flexibel durch die überschaubaren Gruppen. Zusätzliche Veränderungen müssen von außen durchgesetzt werden, was sich häufig so darstellt, dass die bisherige Gruppe aufgelöst und neu konfiguriert wird.

 

manufactus GmbH in Kooperation mit Helmuth Gienke

Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie hier.