Die Gründe zur Einführung eines Kanban Systems kann man in zwei Klassen einteilen,
- als Bestandteil eines bestehenden, beschlossenen oder beabsichtigten Toyota Produktionssystems oder
- als isolierte Einführung aus verschiedenen Motiven.
Seine volle Wirkung erzielt Kanban als Bestandteil eines Toyota Produktionssystems, es kann aber auch als Vorstufe zur Einführung eines Ganzheitlichen Produktions-systems dienen oder völlig isoliert wirksam sein.
Die Motive, die Unternehmen veranlassen, Kanban isoliert einzuführen, ergeben sich zum Großteil aus den Nachteilen des traditionellen ERP.
Weitere Motive sind:
- Druck der Abnehmer und Kunden
- Vereinfachte Steuerung des Materialflusses sowohl innerbetrieblich als auch mit externen Zulieferern
- Verbesserung der Produktqualität
- Verbesserte Kommunikation der Mitarbeiter
- Steigerung der Produktivität im Fertigungsprozess
- Erhöhung der Materialverfügbarkeit und Reduzierung von Fehlteilen
- Reduzierung der Lagerbestände
- Visualisierung von Störungen im Materialfluss
- Zwang zur Rationalisierung
Die Forderung des Abnehmers ist ein häufiger Grund, weil sie schwer abwendbar ist. Die Annahme, die Steuerung sei einfacher, ist besonders bei innerbetrieblichen Anwendungen nicht unbesehen zu übernehmen.
Bei konsequenter Vorgabe, nur einwandfreie Teile zu verwenden, kann tatsächlich die Produktqualität verbessert werden, weil der abnehmende Partner seinen Zulieferer schnell identifizieren kann und direkt seine Reklamation weitergeben kann. Damit ist auch eine Verbesserte Kommunikation der Mitarbeiter verbunden, die manchmal Anlass für die Einführung des Kanban ist.
Bei herkömmlicher Produktionssteuerung werden häufig Übermengen produziert, weil noch Rohmaterial vorhanden ist, weil es gerade so gut läuft oder weil keine anderen Aufträge vorliegen. Ob diese Übermengen wirklich benötigt werden, ist nicht definiert. Ich entsinne mich einer Szene aus meiner Lehrzeit, als ein Gesenkschmied Rohlinge für Vorreiber produzierte. „Das ist richtige Arbeit, nicht das, was die im Büro machen!“ war sein Spruch. Als er den mehrfachen Jahresbedarf erstellt hatte, griff der Meister ein.
Mit strikter Anwendung des Kanban wird nicht mehr produziert, als tatsächlich benötigt wird (plus eventuell den festen Bestand an Kanban). Wichtig ist aber auch, dass mit besserer Kommunikation und Qualität auch die Produktivität gesteigert wird.
Das ursprünglich von T. Ohno angestrebte Ziel der Vermeidung von Verschwendung, wird indirekt dadurch erreicht, dass mit Kanban der Materialbestand fest bestimmt und dem jeweiligen Bedarf angepasst werden kann. Damit hat man unter anderem ein Instrument, durch Senkung des Bestandes Störungen im Materialfluss aufzuzeigen. Dieses Ziel ist für eine Produktionsphilosophie nach Taylor recht exotisch. Wenn man dann vorübergehend den Bestand wieder erhöht, die Ursache für die Störung beseitigt und den Bestand wieder senkt, schafft man eine kontinuierliche Verbesserung des Materialflusses. Und einen Trend zur Rationalisierung.
Aufgrund der Eigenschaft des Kanban, auf Störungen im Materialfluss empfindlich zu reagieren, entsteht der Druck, die Ursache der Störungen schnell zu ermitteln, die Störungen zu vermindern und damit auch die Produktivität zu steigern.
Es gibt eine Menge von Störungsursachen, wie zum Beispiel:
- lange Rüstzeiten,
- fehlerhafte Vorbereitung,
- Ausfall von Maschinen und Werkzeugen,
- fehlerhafte Produktion,
- ungleichmäßige Fertigungsgeschwindigkeit,
- hoher Bearbeitungsaufwand,
- geringe Kapazität,
- unübersichtliche Reihenfolge, kurzfristig eingeschobene Arbeitsgänge (Schnellschüsse) usw.
Im Einzelnen ist abzuwägen, wie wirtschaftlich es ist, die Ursache zu beheben. Dabei hat sich gezeigt, dass erkannte Ursachen häufig mit verblüffend einfachen Maßnahmen beseitigt werden können.
Wird nicht eingegriffen, steuert sich die Fertigung durch den Kanbankreislauf selbst. Durch diese Eigenschaften hat sich Kanban auch in den Zeiten aufwendiger Enterprise Ressource Management (ERP) Systeme bewährt und wird als Ergänzung, in vielen Fällen sogar als einziges System angewandt. Das Verfahren wird sowohl inner- als auch zwischenbetrieblich eingesetzt.
Einführung von Kanban
Sind im Unternehmen keine Erfahrungen mit Kanban vorhanden, empfiehlt es sich, mit einem Pilotprojekt zu beginnen. Dies sollte einen abgeschlossenen, mehrstufigen Fertigungsbereich betreffen, der sich für den Einsatz von Kanban eignet, zum Beispiel die Montage von A-Teilen mit einer konstanten Absatzprognose oder mit anderen Worten, einer möglichst gleichmäßigen Fertigungsauslastung. Man kann aber auch einfach mit der Steuerung eines externen Lieferanten über eine Kanbanschleife beginnen.
Vor einer Einführung von Kanban müssen verschiedene Untersuchungen bzgl. der Kanban-Eignung (z.B. ABC – XYZ Analyse) sowie des Materialflusses durchgeführt werden.
Grundsätzlich führen folgende Maßnahmen zu günstigen Rahmenbedingungen
(ohne aber die Voraussetzung zu sein):
- Verstetigung des Bedarfs
- Reduzieren von Varianten
- Standardisierung von Teilen
- Reduzierung von Rüstzeiten
- Materialflussorientierte Betriebsmittelanordnung (z.B. U-Shape)
- Mitarbeiterqualifikation
- Null-Fehler-Qualität
Gleichzeitig mit der Entscheidung für den Einsatz von Kanban, sollten die Ziele festgelegt werden, die mit Kanban erreicht werden sollen. Dies ist unter anderem erforderlich, um zu entscheiden, ob Maßnahmen zur Verbesserung der Abläufe sinnvoll sind oder nicht. Ziele müssen quantifiziert und messbar sein, um sie verfolgen zu können. Ein nicht nachvollziehbares Ziel ist wertlos.
Zum Beispiel können folgende Ziele definiert werden:
- Reduzierung der Durchlaufzeiten und Wiederbeschaffungszeiten (z.B. auf x Tage)
- Bestandssenkung (z.B. auf x Euro Lagerbestand oder um x %)
- Erhöhung der Materialverfügbarkeit oder Reduzierung der Fehlteile (z.B. um x %)
- Verminderung von Ausschuss ( z.B. um x %)
- Vereinfachung der Organisation (z.B. Arbeitsschritte um x % senken)
- Steigerung der Flexibilität (z.B. Produktion/Lieferung innerhalb x Tage nach Bestellung)
- Reduzieren der Maschinenausfallzeiten (z.B. um x Stunden/Monat)
Aus diesen Anforderungen und Zielen ergeben sich zwangsläufig notwendige Änderungen der Fertigungsorganisation und der entsprechenden Prozesse. Einigkeit besteht, dass
- flexible Produktionsmittel,
- fehlerfreie Lieferung,
- Akzeptanz von Leerlauf bei Mitarbeitern und Anlagen,
- Disziplin,
- Management by View („visual workplace“),
- Pragmatismus
den erfolgreichen Einsatz des Kanban unterstützen.
Außerdem sind Absprachen intern zwischen den einzelnen Fertigungsstufen und besonders mit externen Zulieferern (Rahmenverträge) wichtig, auch wenn sie sich im Grenzfall auf die Aussage konzentrieren kann, dass innerhalb einer bestimmten Frist das angeforderte Produkt in genau der bestellten Menge und einwandfreier Qualität auf einen definierten Platz zu stellen ist.
Man kann bei der Kanban Einführung in folgenden Schritten vorgehen:
- Auswahl eines Bereiches für die erste Anwendung von Kanban abhängig vom Produktionsumfeld
- Bestimmung des durchschnittlichem Tagesverbrauchs sowie der Wiederbeschaffungszeiten
- Festlegung der Kanban Regelkreise inkl. Transporteinrichtungen und Lagerplätze
- Bestimmung der notwendigen Anzahl von Kanban Behältern im Regelkreis
- Bereitstellung der Behälter und Kanbankarten
- Schulung der betroffenen Mitarbeiter bzw. Lieferanten
Die praktische Einführung von Kanban erfolgt durch die Umsetzung der Kanbanregelkreise. Dies umfasst die Festlegung der Transportwege, Stellplätze und Regalplätze, die Beschaffung der Sachmittel wie Behälter, Vorrichtungen zum Anbringen der Kanban etc. Wenn alles soweit vorbereitet ist, muss die Abwicklung des Altsystems abgewartet und anschließend die noch bestehenden Bestände umgepackt werden. Danach kann die Steuerung mit Kanban erfolgen. Dazu gehört auch die Beseitigung der mittels Kanban erkannten Schwachstellen im Materialfluss.
Danach sind die Schnittstellen zu anderen Bereichen und zu den bestehenden Informationssystemen einzurichten.
manufactus GmbH in Kooperation mit Helmuth Gienke
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